Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Fachbereich Angewandte Sprach- und

Kulturwissenschaft in Germersheim
 
 

Kulturwissenschaftliches Proseminar zur Vorlesung

Geschichte Chinas I, Kaiserreich bis Opiumkrieg
 
 

Der Buddhismus von der Han-Dynastie

bis zur Tang-Dynastie

Dozent: Univ.-Prof. Dr. Peter Kupfer

Referent: Duc-Henry Le

Wintersemester 1997/98


 





Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entstehung und Lehren des Buddhismus

2.1 Siddharta Buddha

2.2 Die Lehren des Buddha

3. Die Ausbreitung des Buddhismus in China

4. Spannungen zwischen Staat und Buddhismus

5. Die Macht der buddhistischen „Kirche“

6. Die Verschwendungssucht der buddhistischen „Kirche“

7. Der Niedergang des Buddhismus

8. Der Buddhismus in der Gegenwart

8.1 Die buddhistische Bewegung heute

8.2 Der Buddhismus im heutigen China

Verwendete Literatur

1. Einleitung

Auf die Frage “Was fällt euch beim Stichwort Buddhismus ein?” erhielt ich Antworten wie Dalai Lama, Wiedergeburt, Mönche, Gewaltlosigkeit, Askese, Meditation, Räucherstäbchen, China, Hermann Hesse (“Siddhartha”) und Brad Pitt (“7 Jahre in Tibet”). Auffällig ist, daß deutsche Studenten einerseits den Buddhismus als “sympathisch” und “interessant” einstufen, andererseits aber so gut wie nichts über diese Weltreligion wissen. Einerseits halten viele den Buddhismus für einen typisch chinesischen Glauben, andererseits werfen sie ihn aber teilweise mit dem indischen Hinduismus in einen Topf.

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in erster Linie mit der Geschichte der buddhistischen Kirche im alten China von der Han-Zeit (206 v.Chr. - 220 n. Chr.) bis zur Tang-Zeit (618 -907), d.h. mit ihrer Expansion und ihren Rückschlägen. Sie möchte aber auch falsche Vorstellungen entwirren und den Leser dazu veranlassen, sich einmal näher mit dieser höchst einzigartigen Mischung aus Religion und Philosophie auseinanderzusetzen.

Der Buddhismus war zu keiner Zeit ein so bedeutender politischer Machtfaktor wie die christlichen Kirchen in Europa. Dies lag nicht zuletzt an der losen Organisation der buddhistischen Kirche, an der Koexistenz vieler verschiedener Ausrichtungen und Sekten und der in der Natur des Buddhismus innewohnenden toleranten Haltung gegenüber anderen Religionen.

Um diese Zusammenhänge und den Einfluß des Buddhismus auf die chinesische Kultur besser aufzeigen zu können, stelle ich der historischen Darstellung zunächst eine Einführung in die Lehren und Ideen dieser Religion voran.

2. Entstehung und Lehren des Buddhismus

2.1 Siddharta Gautama

Der Ehrenname Buddha bedeutet „Erleuchteter” und bezieht sich fast immer auf Siddharta Gautama, der aus einer aristokratischen Familie stammte und der Überlieferung nach von ca. 566 bis ca. 486 v.Chr. in Nordostindien lebte. Es gibt bezüglich seiner Lebensdaten allerdings unterschiedliche Meinungen. Nach Auffassung der Buddhisten gibt es nicht nur einen Buddha, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. Vor Siddharta soll es noch andere Buddhas gegeben haben und zumindest noch einer wird kommen.

Siddharta ist der Name, der in späten buddhistischen Texten erscheint. Er wird oft auch noch

Bodhisattwa genannt, was übersetzt „ein Wesen auf dem Weg zur Erleuchtung“ bedeutet. Siddhartas Eltern waren die Herrscher eines kleinen Königreiches im Gangestal in Nordostindien. Seine Geburt wurde, wie bei Religionsstiftern üblich, von Wunderzeichen begleitet: In der Nacht seiner Empfängnis sah seine Mutter, Königin Maja, einen weißen Elefanten in ihren Schoß eingehen. Seine Mutter starb allerdings kurz nach seiner Geburt, so daß er bei seiner Tante aufwuchs. Sterndeuter erzählten Siddhartas Vater, daß sein Sohn entweder ein großer Weltherrscher oder, falls er großes Leid erleben sollte, ein großer religiöser Lehrer sein würde. Deshalb versuchte sein Vater, den jungen Prinzen vor der Begegnung mit Leid zu bewahren.

Den 16jährigen verheirateten die Eltern mit einer gleichaltrigen Kusine. Als das Paar 29 wurde, bekam es einen Sohn. Eigentlich hätte Siddharta nun also mit seiner jungen Familie glücklich bis ans Lebensende leben können. Doch obwohl es ihm an nichts fehlte, ließ etwas in ihm ihn nicht zur Ruhe kommen. Er überredete seinen Wagenlenker und treuen Weggefährten Tschanna, ihn gegen die Anweisungen seines Vaters außerhalb des Palastbereiches zu bringen. Dort sah er einen alten Mann, einen kranken Mann, eine Leiche, die zum Verbrennungsplatz gebracht wurde, und einen einfach gekleideten Mönch, mit einer Almosenschale in der Hand. Bei jeder dieser vier Begegnungen, bekannt als die vier Zeichen, erklärte der Freund dem bisher in einer unwirklichen Welt lebenden Prinzen, daß Alter, Krankheit und Tod jeden Menschen ereile.

Diese vier Zeichen veranlaßten Siddharta, über Alter, Krankheit, Tod und die Bedeutung der Suche nach einem Sinn des Lebens nachzudenken. Unmittelbar nach der Geburt seines Sohnes verließ er nach heftigem innerem Kampf seine Familie. “Mitten in der Nacht stand er auf, küßte seine schlafende Frau und seinen schlafenden Sohn zum Abschied und begab sich zum Palasttor, das sein Vater nachts stets fest verriegeln ließ. Auf wundersame Weise öffnete sich das Tor, so daß Siddharta das Palastgelände verlassen und seine weltverändernde religiöse Suche aufnehmen konnte.” (DiSanto/Steele, Seite 64).

Sein nun folgendes Wanderleben als Asket und seine religiöse Suche ist als die große Entsagung in die Geschichte eingegangen:

Siddharta begab sich zunächst in die Hände zweier Lehrer, die ihn Meditation lehrten und ihn baten, mit ihnen zu lehren. Doch Siddharta, der meinte, daß er sich geistlich noch nicht weit genug entwickelt hatte, lehnte ab und beschloß, streng zu fasten, bis er „sein Rückgrat durch seinen Magen spüren” konnte. Dies brachte jedoch nicht die ersehnte Erleuchtung und sollte zu seiner Lehre führen, daß der beste spirituell Pfad ein Mittelweg zwischen Selbstverleugnung und Maßlosigkeit sei.

„Sechs Jahre nach seiner Entsagung kam Gautama an einen heiligen Baum bei Bodh Gaja und entschloß sich, dort so lange zu meditieren, bis er die Antwort auf sein Suchen gefunden hatte. Während der nächsten Nacht saß er in der Lotoshaltung, mit gekreuzten Beinen, und kämpfte eine innere Schlacht - in den Schriften als Versuchung durch Mara, die Personifizierung von Wandel, Tod und Übel, beschrieben. Gautama wird oft dargestellt, wie er die Erde mit der Hand berührt und sie bittet, davon zu zeugen, daß er der Erleuchtung wert war, weil er in früheren Leben Tugenden wie Geduld und Großzügigkeit geübt hatte.“ (Clarke, Seite 153).

Natürlich konnte Siddharta der Versuchung durch Mara standhalten. Durch seinen Sieg über Mara erlangte er Erleuchtung, was meistens als ein Zustand großer Klarheit und des Verstehens der Wahrheit über die Dinge beschrieben wird. Schon bald fand er eine große Anhängerschaft aus allen Schichten, denen er von Vier Edlen Wahrheiten und den Edlen Achtfachen Pfad lehrte. Er starb im hohen Alter von 80 Jahren. Sein Tod wird Parinirwana genannt, Eingang ins letzte Nirwana.

2.2 Die Lehren des Buddha

Die Lehre des Buddha kann in ihrem Kern durch die Vier Edlen Wahrheiten wiedergegeben werden, die er bei seiner Erleuchtung erkannte. Die Wahrheiten werden oft mit der Krankheitsdiagnose eines Arztes und seinem Heilmittel verglichen.

Die erste Wahrheit lautet, daß Leben nur aus Leiden (Duhkha) besteht. Geburt leidhaft, Krankheit ist leidhaft, Tod ist leidhaft, Demnach ist also die Existenz in der Welt von Natur aus unbefriedigend. Die zweite besagt nun, der Ursprung für Dukkha sei Begehren und Gier. Gier sei neben Unwissenheit und Haß eines der Grundübel, die dem unbefriedigenden Wesen des Lebens zugrunde liegen. Die dritte Wahrheit spricht zuversichtlich vom Ende des Leidens und Begehrens. Gier, Haß und Unwissenheit können ausgemerzt werden, so daß letztendlich das Nirwana erreicht wird. Gemäß der vierten Wahrheit gibt es einen Weg zur Leidensaufhebung. Er beinhaltet acht Stadien, bekannt als der Edle Achtfache Pfad. Die acht Glieder des Pfades sind nach Angaben des Lexikons des Buddhismus von Ehrhard/Fischer-Schreiber:

1. Vollkommene Erkenntnis, d. h. Erkenntnis der Vier Edlen Wahrheiten und der Unpersönlichkeit des Daseins; 2. Vollkommener Entschluß , d. h. Entschluß zu Entsagung, Wohlwollen und Nichtschädigung von Lebewesen; 3. Vollkommene Rede, d. h. Vermeiden von Lüge, übler Nachrede und Geschwätz; 4. Vollkommenes Handeln, d. h. Vermeiden von Handlungen, die gegen die Sittlichkeit verstoßen; 5. Vollkommener Lebenserwerb, d. h. Vermeiden eines andere Wesen schädigenden Berufes wie Schlächter, Jäger, Händler mit Waffen, berauschenden Mitteln usw.; 6. Vollkommene Anstrengung, d. h. Fördern von karmisch Heilsamen und Vermeiden von karmisch Unheilsamen; 7. Vollkommene Achtsamkeit, d. h. beständige Achtsamkeit auf Körper, Gefühle, Denken und Denkobjekte...“ und schließlich 8. Vollkommene Meditation. Buddhisten versuchen, sich nicht von Gefühlen fortreißen zu lassen oder Unrecht zu tun, sondern sogar ihre Feinde zu lieben. Buddha selbst soll einmal zu seinen Jüngern gesagt haben: „Auch wenn Räuber und Mörder einem mit einer Säge Glied für Glied abschnitten, wer darüber zornig würde, der handelt nicht nach meiner Lehre...Nicht soll unser Denken sich verändern, nicht wollen wir ein böses Wort von uns geben, sondern gütig und mitleidig bleiben, voll freundlicher Gesinnung und ohne Haß. Wir wollen diesen Menschen mit von freundlicher Gesinnung erfülltem Geiste durchdringen und von ihm ausgehend die ganze Welt.“ (von Glasenapp, Seite 92). Diese Forderung hört sich für uns moderne Menschen natürlich höchst weltfremd an.

Einen sehr interessanten Gedanken hierzu habe ich in DiSantos und Steeles Buch “Guidebook to Zen and the Art of Motorcycle Maintenance” entdeckt. Danach heißt es auf Seite 82, daß man sich den edlen achtfachen Pfad nicht als eine Treppe vorstellen darf, wobei das Ziel durch die höchste Stufe vorgegeben ist, sondern eher als ein Rad, das ständig in Bewegung gehalten wird. Der Pfad hört also im Prinzip niemals auf; man muß ihn immer wieder aufs neue beschreiten.

Es gibt im Buddhismus drei Hauptaspekte, die die Grundlage für Glauben und Handeln bilden. Diese werden aufgrund ihrer Wichtigkeit auch als die drei Juwelen bezeichnet.

Das erste Juwel ist der Buddha, der nach Jahren der Suche den Pfad der Erleuchtung fand, den er von da an andere lehrte. Das zweite ist das Dharma, die Lehre oder die Weisheit darüber, wie die Dinge sind. Das letzte ist die Sangha, die Gemeinschaft von Mönchen, Nonnen und Laien, die die buddhistische Lehre leben und somit ihren Fortbestand sichern soll.

Clarke bezeichnet die drei Juwelen auch als die drei Zuflüchte, denn „um Buddhist zu werden, sucht ein Mensch Zuflucht und zeigt, daß er zur Erlösung vom Leiden von den Juwelen abhängt. Dies geschieht in einer öffentlichen oder privaten Zeremonie, indem die folgende Formel dreimal wiederholt wird: „Ich suche Zuflucht beim Buddha; ich suche Zuflucht beim Dharma; ich suche Zuflucht bei der Sangha.““ (Seite 151).

Wie man weiß, ist die Wiedergeburt ein wichtiger Bestandteil des buddhistischen Glaubens. Gemäß ihrem Karma werden die Toten in einem der fünf oder sechs Reiche des Lebens wiedergeboren, zu denen auch Himmel und Hölle gehören. Karma, ein Zentralbegriff des Buddhismus, bezeichnet das gute oder böse Handeln eines Menschen, oder genauer, die hinter einer Tat stehenden Absicht. Die Wiedergeburt hängt also von den erzielten Fortschritten ab. Und am Schluß werden alle in das „todlose“ Reich, das Nirwana, eingehen.

3. Die Ausbreitung des Buddhismus in China

Noch zum Ende der Han-Zeit sollte die chinesische Kultur eine ungemein tiefgehende Bereicherung und Beeinflussung erfahren. Die Jahre nach dem Zusammenbruch der Han-Dynastie waren chaotisch. Die Menschen lebten in einem ständigen Kriegszustand mit Unterdrückung und Verarmung. Dieser Zustand der Zerrissenheit und der Unsicherheit weckte in der Bevölkerung den Wunsch nach geistigen Wandlungen: „Die neuen Verhältnisse ließen die Menschen nach neuen geistigen Grundlagen suchen. Ein neues Zeitalter des chinesischen Denkens begann. Schon in der zweiten Hälfte der Han-Dynastie wurde sichtbar, daß der Konfuzianismus nicht mehr als Lebensrichtlinie ausreichte. Zwar verlor er nicht jeden Einfluß; bei der Masse des Volkes aber traten zwei andere geistige Strömungen an seine Stelle: Der Neo-Daoismus und der Buddhismus. Beide waren die Antwort auf die Sehnsucht nach einer metaphysischen, religiösen Verankerung des Daseins gegenüber dem nur gesellschaftsbezogenen Konfuzianismus.“ (Wolter, Seiten 105/6).

Wie gelangte der Buddhismus nach China? Der Buddhismus kam zum einen über den südlichen Seeweg nach China. Eine viel größere Rolle spielte aber die Seidenstraße, also die aus Zentralasien nach China führenden Handelswege.

Die eigentliche Verbreitung der buddhistischen Lehren kam jedoch erst so richtig in Gang, nachdem sich entlang den zentralasiatischen Handels- und Reisewegen Zentren des Buddhismus gebildet hatten. In seinem Buch “China individuell” weist Trempel darauf hin, daß das Jahr 65 als die Geburtsstunde des Buddhismus in China angesehen wird. In jenem Jahr nämlich brachten zwei indische Mönche buddhistische Schriften über die Seidenstraße nach Luoyang.

Schmidt-Glintzer spricht in seinem Buch “Das Alte China” auf Seite 62 von insgesamt 54 Mönchsgesandtschaften aus China nach Indien, allein aus der Zeit seit der Reise des Mönches Zhu Shixin (um 260 n.Chr.) bis zu jener des Mönches Xuan Zang im 7. Jahrhundert.

Die Folge dieser Delegationen war natürlich, daß sie eine Differenzierung der in China verbreiteten buddhistischen Lehren bewirkten. Ganz allgemein läßt sich sagen, daß der Buddhismus überall vielen verschiedenen Einflüssen ausgesetzt war und sich durch seine große Toleranzbereitschaft in viele unterschiedliche Richtungen hin entwickelt hat, so daß man sagen kann, daß der Buddhismus in China „einzigartig chinesisch”, der Buddhismus in Japan „einzigartig japanisch” usw. ist. Den japanischen Buddhisten z. B. wurde dahingehend entgegengekommen, daß man ihre traditionellen Schinto-Gottheiten für Erscheinungsformen von Buddha und Bodhisattwas erklärte.

Bereits aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus sind die ersten Übersetzungen buddhistischer Werke ins Chinesische belegt. Architekten, Künstler und Handwerker lebten von Aufträgen aus buddhistischen Klöstern, die im Land entstanden. Frühere Missionierungsversuche waren fehlgeschlagen; erst die chaotischen und bedrückenden Verhältnisse der späteren Han-Zeit boten den geeigneten Nährboden für die Annahme und Ausbreitung des Buddhismus, also eines Glauben, der Leid und Leiden als die Grundsituation des Menschen sieht und der die Erlösung aus dem Rad der Wiedergeburt nach dem Aufgehen ins Nirwana verspricht. Diese Hoffnung gab den Gläubigen die Kraft, ihr armseliges Leben zu erdulden.

Nun darf man nicht dem Irrtum erliegen, daß der Buddhismus in Form der ursprünglichen Lehre des Siddharta Buddha nach China kam. In den über 500 Jahren seines Bestehens hatte er auf dem Weg von Indien nach Zentralasien natürlich viele Änderungen mitgemacht. Was Eingang in China fand, war nun nicht der strenge Hinayana-Buddhismus (= das „Kleine Fahrzeug”, also Erlösung nur für wenige), wie er sich heute noch als asketische Richtung auf Ceylon, in Myanmar (dem ehemaligen Burma) und Thailand findet, sondern der weitherzigere Mahayana-Buddhismus (= „Großes Fahrzeug”), wie er in Japan, Korea, Nepal, Vietnam und in der Sonderform des Lamaismus in Tibet ausgeübt wird. Dem Mahayana erschien die Selbsterlösung ein zu niedriges, weil egoistisches Ziel. Nach seiner Lehre soll der Mensch danach streben, ein Bodhisattwa, ein Erleuchtungswesen, zu werden, der unablässig darum bemüht ist, anderen Wesen zu helfen und sie zur Erleuchtung zu führen.

Er ist bereit, das Leid aller Wesen auf sich zu nehmen und karmisches Verdienst auf andere Wesen zu übertragen. Er verzichtet sogar solange auf den eigenen Eintritt ins Nirwana, bis alle Wesen erlöst sind. Eine sehr bekannte chinesische Bodhisattwa-Gestalt ist Guanyin.

„Der Mahayana-Buddhismus war großzügig, er ließ die einheimischen Gottheiten bestehen und erkannte andere Glaubenslehren an. So galten ihm Konfuzius und Laozi als Vorläufer des Siddharta. Das Leben wird nicht mehr als „Traum, Schatten oder Seifenblase” negiert, sondern bejaht. Das Nirwana kann erreicht werden nicht nur durch Abtötung aller Begierden und Sehnsüchte, sondern auch durch Meditation, die allen Menschen möglich ist. Vor allem lehrte er aber ein Jenseits, das entsprechend dem Gesetz des Karma nach dem Tod Freuden und Ausgleich für die im Leben erlittenen Leiden bringt.“ (Wolter, Seiten 109 und 110).

Der Buddhismus konfrontierte die Chinesen zum ersten Mal mit einer auf ihr Ich bezogene Jenseitsvorstellung. Auch wurde ihnen in einer aus den Fugen geratenen Zeit Erlösung versprochen. Es ist nur allzu verständlich, daß der Karma-Glaube, daß durch die Wiedergeburt in einem minderen Rang die Mächtigen, Ausbeuter und Unterdrücker bestraft würden, eine enorme Anziehungskraft auf die Chinesen ausübte. Für den Beginn der Epoche der Zerrissenheit werden die chinesischen Buddhisten auf einige wenige Tausend geschätzt; am Ausgang des 16. Jahrhunderts waren es schon viele Millionen.

Am zügigsten vollzog sich die Ausbreitung des neuen Glaubens im nördlichen Teil des Reiches. Die Menschen dort erhofften sich vom Buddhismus Erlösung, denn sie hatten schwer unter den Invasionen und Raubzüge der barbarischen, d. h. der nicht-chinesischen Eroberern zu leiden. Auch profitierte der Buddhismus von seiner sehr toleranten Haltung:

Für die Buddhisten gab es - wie auch für die Chinesen, die sich dem neuen Glauben zugewandt hatten - keine Unterschiede zwischen arm und reich, vornehm und gering. Wolter zitiert auf Seite 112 einen bekannten Ausspruch des Buddha: „Mein Gesetz ist ein Gesetz der Gnade für alle, wie es auch nur ein Gesetz der Vergeltung für alle gibt. Wie das Wasser alle guten und bösen Menschen reinigen kann und wie auch der Himmel für alle groß genug ist, so macht auch meine Lehre, die ich euch gebe, keinen Unterschied zwischen Mann und Weib, Vornehmen und Geringen.” Diese Worte machten den Buddhismus nicht nur im einfachen Volk populär, sondern führten auch zu einer schnellen Verbindung zwischen dem Buddhismus und den fremden Staaten und Dynastien auf chinesischem Boden. Die neuen Machthaber im Norden gaben dem Buddhismus den Vorrang, weil die buddhistischen Mönche im Gegensatz zu den Konfuzianern ihnen nicht hochmütig und voreingenommen waren. Rodzinski weist auf Seite 102 ferner darauf hin, daß viele Mitglieder der konfuzianischen Oberschicht in den Süden geflohen waren, und daß man bei der Verwaltung des Staates auf die Hilfe buddhistischer Mönche angewiesen war. Unter dem Schutz der Herrscher erlebte der Buddhismus seine große Expansion im 4. und 5. Jahrhundert. Um 405 waren bereits neun von zehn Nordchinesen Buddhisten. Dies bedeutete keineswegs, daß der Daoismus und der Konfuzianismus von der Bildfläche verschwanden. Für Chinesen ist es nichts Ungewöhnliches, mehreren Religionen anzuhängen sowie nebenher ihren Ahnenkult zu pflegen.

Während der Buddhismus also im Norden unter allen Dynastien intensive Unterstützung der Machthaber genoß, fand eine vergleichbare staatliche Förderung im Süden lediglich unter der Liang-Dynastie statt. Wolter meint dazu auf Seite 112:„Wenn auch im Süden der Buddhismus festen Fuß faßte, so lag der Grund vorwiegend in außenpolitischen Überlegungen der jeweiligen Herrscher. In weiten Teilen des fernöstlichen Asiens gab es schon eine die Völker übergreifende buddhistische Führungsschicht. Es konnte nur nützlich sein, sich mit ihr durch Förderungsmaßnahmen gutzustellen und sich damit außenpolitisch abzusichern.“

Die Ausbreitung des Buddhismus ging nicht ohne Hemmnisse und Rückschläge vonstatten. Unter späteren Dynastien kam es sogar zu Buddhistenverfolgungen mit Enteignung der Klöster, auf die ich noch zu sprechen kommen werde. Der Anlaß war meistens Neid auf den klösterlichen Reichtum. Auch standen die Konfuzianer in dauernder Gegnerschaft. Sie sahen im Buddhismus - der fremden, nicht-chinesischen Religion - einen Eindringling und einen Fremdkörper, wie wir noch sehen werden. Jedem Konfuzianer mußte auch die Verleugnung der Familienbande und die Vernachlässigung des Ahnenkultes ein Greuel sein. Außerdem fürchteten die Konfuzianer, daß sich die buddhistischen Mönche, da sie ja lesen und schreiben konnten, der Staatsverwaltung bemächtigten und sie aus den Ämtern verdrängten.

4. Spannungen zwischen Staat und Buddhismus

Im vorausgehenden Abschnitt habe ich schon angedeutet, daß der Buddhismus auch Rückschläge hinnehmen mußte. Reibungen zwischen Staat und Buddhismus traten auf, weil die Mönche auf eine rechtliche Sonderstellung beharrten.

Diese leiteten sie daraus ab, daß einer, der den Schritt chu-jia (= Austritt aus der Familie) getan habe, nicht mehr der weltlichen Gerichtsbarkeit der Regierung, sondern dem Vinaya (= Mönchsdisziplin) unterworfen sei, welches dem Eingriff des Staates völlig entzogen war. Dieser Umstand befreite die Mönche vom Zwangsdienst und im allgemeinen auch von allen Abgaben. Gegen die daraus resultierenden Probleme mußte irgendwie angegangen werden, denn immer mehr Menschen strömten nun in die Klöster. Ein Mittel, um diesen Andrang einzudämmen war zum einen die Registrierung der Mönche, und zum anderen die Zulassungsbegrenzung für Novizen.

Für Eichhorn waren derartige Probleme besonders im Nordstaat Toba-Wei akut, „weil dort die Mönche sich weniger mit gelehrten Diskussionen als vielmehr mit den praktischen Seiten der Religion abgaben. Während sie sich einerseits um glückliche Wiedergeburt bemühten, strebten sie andererseits nach Vermögen und Profit. Die Tempel wurden dabei mehr und mehr zu Geschäftsabschlußplätzen. Dies führte natürlich zu einer erheblichen Machtstellung der buddhistischen Kirche, was wiederum in der Gründung vieler und großer Tempel zum Ausdruck kam (Seite 202)“.

Die Situation am Ende der Toba-Zeit beschreibt er im folgenden so: “Es gibt keinen Ort, wo nicht buddhistische Mönche und Heiligtümer anzutreffen wären. Sie füllen die Städte und schieben sich in die Viertel der Schlächter und Weinhändler hinein (man rufe sich das buddhistisches Töte- und Alkoholverbot ins Gedächtnis!)... Die Buddhastatuen und Stupa sind umhüllt vom Geruch des getöteten Fleisches. Die reine Erkenntnis versinkt in Begierden...”

Der Buddhismus spielte auch auf dem Land eine wichtige Rolle, und nicht selten eigneten sich die Mönche Felder und Gebäude der Bauern an. Die Mönche führten also ein sorgenfreies und angenehmes Leben. Kein Wunder also, das die Menschen in Massen in die Klöster strömten, um an diesem bequemen Leben teilzuhaben. Der Staat wiederum sah sich gezwungen, etwas gegen diese Situation zu unternehmen:

„Schon 486 kam ein Regierungserlaß heraus, daß solche Personen, die sich fälschlich als auf dem Heilsweg begriffen, ausgaben, tatsächlich aber nur den Steuern und Zwangsdienstleistungen entgehen wollten, sofort in den Laienstand zurückversetzt werden sollten.“ (Eichhorn, Seite 203). Weitere Gesetze verboten den Sklaven, die aufgrund ihrer sozialen Lage besonders an einer Aufnahme unter die Mönche interessiert waren, in die Klöster einzutreten und drohten illegal ordinierten Personen mit Anklage.

Diese Gesetze, die auf die Verringerung der Anzahl der Mönche abzielten, waren unter anderem die Folge wiederholter Beschwerden über den anwachsenden Reichtum der Klöster. Dieser wiederum kam meist dadurch zustande, daß die Mönche das Getreide, das ihnen im Toba-Wei-Staat etwa von 469 an zu dem Zweck geliefert wurde, es zu speichern und in Notzeiten an die Bevölkerung auszuteilen, für sich selbst nutzbar machten, indem sie es gegen Zinsen ausliehen. Aus einem Edikt des Jahres 511 geht hervor, daß die Klöster für Getreide im Einverständnis mit den Lokalbehörden überhöhte Zinsen forderten und die Schulden rücksichtslos eintrieben. Die Klöster beuteten also zusammen mit den örtlichen Funktionären die gutgläubige Landbevölkerung schamlos aus.

Um diesen Mißbräuchen einen Riegel vorzuschieben, wurde im selben Jahr das dem Kloster gelieferten Getreide der Aufsicht der Provinzbehörde unterstellt, d. h. der willkürlichen Handhabung durch die Mönche entzogen.

Wie schon einleitend erwähnt, wurde zu der damaligen Zeit über die Mönche im allgemeinen nach dem Vinaya Recht gesprochen. Dies bedeutete eine weitaus mildere Bestrafung als nach dem Staatsgesetz, das zumindest theoretisch für alle anderen Staatsbürger galt. Die schlimmste Strafe, die die Mönche zu erwarten hatten, war der Ausschluß aus der Mönchsgemeinschaft und damit die Rücküberführung ins Laiendasein und in die Sphäre des gewöhnlichen Strafrechts. In einer Eingabe eines sogenannten Mönchkontrolleurs wurde gefordert, daß die Klostergesetze nicht mehr auf die Laien in den Klöstern angewandt werden sollten. Der Grund: Während die Klosterregeln für fromme Mönche ausreichten, ließen sich die aufsässigen Laien dadurch nicht beeindrucken. Diese Laien sollten nach dem Willen des Mönchkontrolleurs nach einem Verbrechen den Staatsbehörden übergeben werden.

Auch die Wandermönche blieben von den Maßnahmen nicht unberührt, denn gerade sie wurden als gefährliche Elemente eingestuft. sowohl in sozialer als auch in politischer Hinsicht: „Sie waren es nämlich, die rebellische Stimmungen verbreiteten und Nachrichten über die Grenzen hinüber vermittelten.“ (Eichhorn, Seite 205). Im Jahre 472 erging deshalb ein Erlaß, der die Beherbergung nicht registrierter Mönche unter Strafe setzte.

Da der teure Bau von Klöstern und Tempeln einen erheblichen Verbrauch an Baumaterial zur Folge hatte, wurde auch dies vom Staat schließlich eingeschränkt. Die hohen Kosten für die in den Klöstern aufgestellten Buddhastatuen waren eine schwere Belastung für die Wirtschaft. Besonders dringlich wurde dieses Problem, nachdem die Buddhisten ihre Klöster immer öfter von den heiligen Bergen in die Städte verlegten, wo sich ihnen wesentlich bessere Einkunftsmöglichkeiten boten. Die rasch anwachsende Bautätigkeit der Buddhisten zog den wachsenden Unmut der Stadtbewohner auf sich, und die Gewerbetreibenden fühlten sich in zunehmendem Maße dadurch beengt. Aber Anordnungen, die Tempel und Heiligtümer zurück ins offene Land zu verlegen erwiesen sich als wenig effektiv, weil „auf Grund der gegen Ende der Toba-Wei zunehmenden Unruhen alles in die Klöster strömte, um sich und seine Habe hinter den Klostermauern in Sicherheit zu bringen. Diese stellten, so scheint es, in politisch unsicheren Zeiten ein einigermaßen verläßliches Asyl dar, was sich aus dem „internationalen” Charakter des Buddhismus erklären läßt.“, meint Eichhorn auf Seite 206.

5. Die Macht der buddhistischen „Kirche“

In der Sui- und Tang-Dynastie (Ende 6. - Anfang 10. Jh.) erreichte der Buddhismus in China seine Hochblüte.

Kaiser Sui Wendi, der Begründer der Sui-Dynastie - und damit der erneuten Reichseinheit - versuchte, den Buddhismus als einigendes Band der in kultureller Hinsicht ungleichen Teile zu benutzen: „...Um seine Herrschaft zu festigen, betrieb [Sui Wendi] in ideologischer und kultureller Hinsicht eine aktive Förderung der buddhistischen Religion... Er betrachtete die zügige Verbreitung des Buddhismus als seine persönliche Pflicht und bediente sich aller Mittel, um den Buddhismus im ganzen Land einzuführen...“ (Zhongguo Shigao, Seite 384). Hinzu kam, daß er in seiner Jugend unter der Obhut der buddhistischen Nonne Zhixian stand. Den Konfuzianismus tolerierte er nach Auffassung Eichhorn, um „seinem Staat die vom orthodoxen Konfuzianismus geforderte Fassade zu geben. Dies geschah natürlich mit Rücksicht auf die administrativen Fähigkeiten der diesem anhängenden Sippen.“ (S. 241).

Nun „waren aber die Buddhisten im Süden [Chinas] ihrem Herrscherhaus, das ebenfalls ihre Kirche begünstigte, treu ergeben und unterstützten die Aufstände der Bevölkerung gegen den Eroberer aus dem Norden.“ (Eichhorn, S. 242)

Nachdem Sui Wendi den Süden unterworfen hatte, befahl er deshalb, daß sich alle Buddhisten einer erneuten Ordination unterziehen sollten, was zeigt, daß der Buddhismus in jener Zeit auch ein großer politischer Faktor war.

Der erste Sui-Kaiser wollte in klarer Erkenntnis der geistigen Situation seiner Zeit deshalb die buddhistische Kirche zur Grundlage einer neuen, einheitlichen chinesischen Gesellschaft machen. Unter seiner Herrschaft wurden „zerstörte Tempel wiederaufgebaut, Statuen geschnitzt, Bücher verfaßt.“ (Zhongguo Shigao, Seite 385). Und nicht nur das. Es wurde auch damit begonnen, neue buddhistische Werke ins Chinesische zu übertragen, was natürlich die chinesische Sprache ungemein bereicherte. Zur Sui-Zeit gab es annähernd 240.000 Mönche, denn jedem Bürger war es nun freigestellt, Mönch zu werden. Sui Wendi ordnete außerdem an, daß Mönche und Nonnen nicht nach dem Laiengesetz abgeurteilt werden dürften und unterstützte ihr Bekehrungstätigkeiten, wo er nur konnte. Weiter heißt es im Zhongguo Shigao: „...[es wurden] 3985 Tempel und über 200.000 Statuen errichtet, mehr als 100 buddhistische Pagoden gebaut sowie 82 buddhistische Werke übersetzt.“ (Seite 385).

Es erwies sich jedoch am Ende, daß der Buddhismus – jedenfalls wegen seiner Weltabgewandtheit – nicht fähig war, Träger einer Staatsorganisation zu werden. Er konnte zwar die Konzeption eines (buddhistischen) Weltreiches, nicht aber dieses selbst schaffen und mußte schließlich ebenso wie der Daoismus den konfuzianischen Sippen das Feld der Verwaltung und Staatsführung überlassen.

Nach den beiden buddhistenfreundlichen Kaiserinnen Wu und Wei kam schließlich der daoistenfreundliche Tang-Kaiser Xuan Zong (712-756) an die Regierung. „Damit nahm die Vorzugsbehandlung des Buddhismus ein Ende. Im Jahre 714 erließ er eine Verordnung, daß die Beamten alle Mönche und Nonnen überprüfen sollten mit dem Ziel, deren Zahl zu verringern.“ (Eichhorn, Seite 244) Tatsächlich wurden etwa 12.000 von ihnen gezwungen, in den Laienstand zurückzutreten. Im „Cambridge History of China“ (Band 3, Seite 361) ist sogar von 30.000 Fällen die Rede. Xuan Zong verbot zudem den Bau neuer Tempelanlagen. Trotzdem blieb die Macht der buddhistischen Kirche bis zur großen Religionsverfolgung vom Jahre 845 ungebrochen.

Hinzu kam auch noch der widersprüchliche Umstand, daß Xuan Zong zwar einerseits versuchte, den Einfluß des Buddhismus einzuschränken, andererseits sich aber selber mit dem esoterischen Buddhismus auseinandersetzte. Da die Religiosität des Tang-Volks vornehmlich Wunderglaube war, war die Propaganda der Religionen deshalb darauf abgestellt, sich gegenseitig an Wundertaten zu überbieten.

Schon kurz nach Beginn der Tang-Dynastie sah sich der Buddhismus scharfen Angriffen ausgesetzt. Sie begann mit einer Eingabe des Ministers Fu Yi, der die Buddhisten als Gammler und Schmarotzer beschimpfte. Laut Eichhorn (Seite 244) schrieb er in seinem Memorandum, „daß die Buddhisten die Leute veranlaßten, gegenüber dem Herrscher illoyal zu sein (denn sie glaubten, daß sie alles dem Buddha und nicht dem Kaiser verdankten) und gegenüber den Eltern pietätlos, denn sie ließen sich den Kopf scheren, anstatt den ganzen Körper so heil zu erhalten, wie er ihnen von Vater und Mutter übergeben wurde. Die Mönche und Nonnen treiben sich herum, erschleichen sich Speise, ändern ihre Kleidung und drücken sich vor Steuern und Abgaben.“ Fu Yis Kritik richtete sich vor allem gegen die wirtschaftlichen Schäden, die dem Staat durch die Buddhisten entstanden. Daraufhin beschloß der erste Tang-Kaiser, Li Yuan, im Jahre 626, die Buddhisten einer scharfen Kontrolle zu unterwerfen, um insbesondere die vielen illegal Ordinierten, auszumerzen. Der Kaiser starb jedoch bald darauf und der Plan kam nicht zur Ausführung.

Der bekannteste Gegner des Buddhismus ist aber der Literat und Dichter Han Yu, der sich 819 in einem vielbeachteten Essay gegen die feierliche Einholung eines berühmten Fingerknochens des Buddha wandte. „In diesem Schriftstück heißt es, daß die Leute von religiösem Fanatismus erfaßt seien, sich zu Tausenden Köpfe und Finger versengten, ihre Kleider auf den Weg breiteten und ihr Geld in den Tempeln verstreuten. Aber der, für den sie das täten, Buddha, sei barbarischer Herkunft und seine Sprache sei anders als die der Chinesen.“ (Eichhorn, Seiten 244/5) Han Yu beantragte aus diesem Grund, daß man den Knochen den Beamten übergeben und von diesen ins Wasser oder Feuer werfen lassen sollte. Nun verhielt es sich aber so, daß der Knochen nur alle 30 Jahre in einer prunkvollen Prozession in den Kaiserpalast überführt wurde, wo er dann drei Tage lang blieb, bevor man ihn ebenso feierlich wieder zurückbrachte. Dieses Ereignis galt als eines der höchsten Kirchenfeste, die Jahre, in denen es stattfand, als große Glücksjahre. Han Yus Petition fand verständlicherweise wenig Anklang, und man beschloß, ihn kurzerhand zu verbannen.

6. Die Verschwendungssucht der buddhistischen „Kirche“

Der Reichtum der buddhistischen „Kirche“ artete in übermäßiger Verschwendung aus und drohte den Staatshaushalt zu erschöpfen. Nicht nur Fu Yi, sondern auch andere Minister „griffen deshalb den Buddhismus immer wieder an und schlugen Kontrollmaßnahmen vor, um der übertriebenen Buddha-Verehrung Einhalt zu gebieten.“ (Zhongguo Shigao, Seite 389). Bekannt wurde der Ausruf des Xin Tifou, der anprangerte, daß auf der einen Seite der buddhistischen Kirche 70 Prozent bis 80 Prozent des gesamten Vermögens gehöre, und auf der anderen Seite der Kaiser verarme und das Volk Hunger erleide.

Eichhorns Beschreibung der buddhistischen Lichterfeste auf den Seiten 247 und 248 unterstreicht die verschwenderische Einstellung der Klöster: „Die großen vom Staat geförderten Klöster trieben oft einen unerhörten Aufwand an prunkvollen Zeremonien und religiösen Schaustellungen. Die in zahlreichen Andachtshallen aufgestellten Statuen verursachten wiederholt eine Metallverknappung, die sich auf den Umlauf an Münzgeld sehr ungünstig auswirkte. Bei gewissen Lichterfesten für Buddha wurden Lampenräder und Lampentürme von etwa 60m Höhe mit mehr als 500 Metallplatten errichtet. Es gab sogar regelrechte Ausstellungen von kostbaren Heiligenbildern. Natürlich diente dies alles der religiösen Propaganda, und der Aufwand wurde durch die Spenden der Gläubigen um ein Vielfaches wieder eingebracht.“

Auch die vielen falschen Mönche und Nonnen machten dem Staat zu schaffen. „Wohl gab es Kaiser, die den Rat der Minister beherzigen und die Zahl der Mönche und Nonnen einschränken wollten, doch war der Buddhismus längst zu etabliert. Die Mönche scherten sich nicht um die Gesetze und Dekrete, sondern betrieben geheime Absprachen mit einflußreichen Beamten und gingen ihren illegalen Aktivitäten nach“ (Zhongguo Shigao, Seite 390).

Erst im Jahre 852 sollte ein erneuter Vorstoß der Minister im Hinblick auf die Einschränkungen der Ordinationen und des teuren Klosterbaus zum Erfolg führen. Die scharfe Kontrolle der Zulassung zu den Ordinationen wurde nunmehr festgelegt.

Es muß darauf hingewiesen werden, daß für die Buddhistenverfolgung kurz zuvor in den Jahren 844/45 neben dem übermäßigen Besitzstand der buddhistischen Klöster auch die aufkeimende fremdenfeindliche Haltung eine große Rolle spielte. Im achten Jahrhundert forderten gewisse konservative Kreise die Rückkehr zu den alten Quellen der chinesischen Tradition, und, damit im Zusammenhang stehend, das Zurückdrängen des ihnen verhaßten Einflusses der in China lebenden Ausländer. Diese Reaktion folgte einer Periode, in der die Adligen den Fremden und den fremdländischen Produkten gegenüber sehr aufgeschlossen gewesen waren.

Den gewaltigen Stimmungswandel sieht Gernet zu einem großen Teil in der Revolte An Lushans, des militärischen Generalgouverneurs der Grenzregion Pinglu, begründet. An Lushan hatte im Jahre 755 gegen die Tang-Dynastie rebelliert und sich in Luoyang zum Kaiser ernannt. Erst nach acht Jahren gelang es den Tang-Generälen mit Unterstützung von uigurischen Truppen die Revolte zu zerschlagen, die beinahe zum Untergang des Reiches geführt und seine anschließende große Schwäche zur Folge hatte. Gernet schildert auf der Seite 247, wie sich die von der Dynastie zu Hilfe gerufenen Barbaren äußerst unbeliebt machten: „ Plündernde Tibeter raubten die kaiserlichen Gestüte aus, fielen im Jahr 763 sogar in Chang’an ein, setzten sich...in den Städten Gansus fest; Uiguren rissen das Monopol des Pferdehandels an sich, aus dem sie großen Gewinn schlugen, und betätigten sich als Pfandleiher und unerbittliche Wucherer in der Hauptstadt. Der Reichtum der in den größeren Städten ansässigen ausländischen Kaufleute hatte fremdenfeindliche Reaktionen ausgelöst, die sich von Aufständen entluden...“

7. Der Niedergang des Buddhismus

Die fremdenfeindliche Stimmung im Lande führte in den Jahren 842-845 zur großen Proskription (= Ächtung) der ausländischen Religionen und darunter der wichtigsten von ihnen, des Buddhismus. Das 845 verfügte Proskriptionsdekret warf dem Buddhismus als Religion der Ausländer vor, die Ursache für die moralische und wirtschaftliche Schwächung der kurzlebigen Südlichen Dynastien Jin, Song, Qi, Chen und vor allem Liang gewesen zu sein. Zweifelsohne spielte auch die Finanznot des Staates eine gewichtige Rolle. Bei Gernet heißt es dazu auf der Seite 249: „Es kam sowohl zu einer gefühlsbetonten Reaktion - einer verschwommenen Feindseligkeit allen Ausländern und den religiösen Vorrechten gegenüber, die sie vor 755 erlangt hatten -, als auch zu einer in dem Maß berechneten Reaktion, als sie sich gegen politische und wirtschaftliche Realitäten richtete: gegen die Macht der Eunuchen, buddhistischer, abergläubischer, ungebildeter und geldgieriger Fanatiker, den skandalösen Reichtum der buddhistischen Klöster an Grundbesitz, Arbeitskräften, Geld und Metallen zu einer Zeit, da der Staat in einer Finanzkrise steckte und es ihm an Kupfer zum Gießen von Münzen mangelte.“ Wie wir gesehen haben, verfügte die buddhistische Kirche über einen enormen Reichtum, z. B. in Form von Kultgegenständen, Glocken und Statuen. Eine der Maßnahmen, um die wertvollen Edelmetalle zurückzugewinnen, war deshalb das Einschmelzen der Glocken und Statuen. Der Staat ließ aus ihnen Münzen gießen, die die Bevölkerung allerdings ablehnte, weil man Angst hatte, ein Sakrileg zu begehen.

Wie schon erwähnt war der bekannte Dichter Han Yu (768-824) ein besonders scharfer Kritiker des Buddhismus. Seine ablehnende Haltung hatte zwei Gründe. Zum einen kritisierte er die abergläubischen Elemente im buddhistischen Glauben, und zum anderen wandte er deutlich sich gegen den ausländischen Ursprung der Religion. Bei Rodzinski findet sich auf der Seite 137 ein Ausspruch, der Han Yus Standpunkt knapp zusammenfaßt: „Wir haben unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation, unsere Regierung, unsere Sitten und Gebräuche. All dies entspricht unseren Prinzipien, und alles daran ist rational und logisch. Dies ermöglicht uns, in Frieden zu leben...und es gibt nichts, wovor wir uns zu fürchten bräuchten...Weshalb brauchen wir dann also barbarische Religionen?”

Anders als in Europa war das Verbot ausländischer Religionen kein plötzliches und brutales Ereignis. Anfangs beschränkte man sich lediglich darauf, den buddhistischen Klerus zu säubern, um die ungebildeten und falschen Mönche zu entfernen. Anschließend wurden die Privatgüter der Bonzen konfisziert, nach einer restriktiven Auslegung der buddhistischen Abhandlungen über Mönchsdisziplin: Schließlich hatten die Mönche das Gelübde der Armut abgelegt. Und erst allmählich wurde zu den radikalsten Maßnahmen gegriffen. Man schaffte die buddhistischen Zeremonien im Staatskult ab und schritt zu immer massiveren Rückführungen in den Laienstand (im Jahr 845 täglich 300). Schließlich wurde ein allgemeines Inventar der Heiligtümer der Klöster aufgestellt, und daraufhin wurden ihr Landbesitz, ihre Leibeigenenfamilien, ihr Geld und Metall konfisziert.

Im Jahr 845 rechtfertigte der unter dem Einfluß des Daoisten Zhao Guizhen stehenden Kaiser Wu Zong nochmals seine auf die Auslöschung des Buddhismus gerichtete Politik.

Schmidt-Glintzer berichtet auf Seite 80 von der Auflösung von 4.600 Klöstern (einige von ihnen wurden in öffentliche Bauten umgewandelt), der Zerstörung von 40.000 Kapellen und Einsiedeleien, der Zurücksetzung von 260.000 Mönchen und Nonnen in den Laienstand, und der Aufnahme von 150.000 ehemaliger Sklaven in die Steuerregister. Eichhorn berichtet zudem auf Seite 250, daß man von den Standbildern das Gold abschälte und es in die kaiserlichen Schatzspeicher brachte. Aus den Bronze- und Kupferstatuen, Kesseln usw. wurden Münzen gegossen, aus dem Eisen verschiedene Gebrauchsgeräte angefertigt. Den Klöstern wurde also all das weggenommen, was man nur irgendwie wieder in Geld umwandeln konnte. Dagegen erlaubte Wu Zong die Beibehaltung einer weniger Tempel mit offiziellem Statut, in denen eine kleine Anzahl von Mönchen den Dienst versahen.

Viel Zeit, um sich am Erfolg seiner Maßnahmen zu erfreuen, blieb ihm allerdings nicht. Als er wenige Zeit später starb, war er noch keine 32 Jahre alt. Sein Nachfolger Xuan Zong, ein Anhänger des Buddhismus, änderte erneut die unbeständige Religionspolitik des Reiches.

Die Religionen iranischer Herkunft - Mazdaismus, Manichäismus, Nestorianismus - erfuhren übrigens ein noch viel schlimmeres Los: Sie wurden definitiv verboten, und ihre Mönche, von denen es nur einige Tausend gab, wurden alle in den Laienstand überführt.

Der Buddhismus hingegen stand nach Einschätzung von Eichhorn (Seite 251) am Ende der Tang-Zeit wieder fast genauso da wie am Anfang der Periode. 846 wurden schon wieder neue Klöster errichtet und Ordinationsausweise ausgegeben. Im selben Jahr wurden auch die Haupthetzer aus den Reihen der Daoisten gefangen genommen und abgeurteilt. Die buddhistischen Mönche erhielten vom Staat wieder den Auftrag, an den Landestrauertagen für die verstorbenen Kaiser Messen zu lesen. Schon zwei Jahre nach der Proskription begann ein umfassender Wiederaufbau der Klöster, Tempel und Heiligtümer.

Im übrigen wurden die Proskriptionserlasse nur in der Hauptstadt strikt angewandt. In anderen Teilen des Reiches gab es so etwas wie einen heimlichen Widerstand, sogar bei den Vollzugsbeamten, so daß in manchen von Chang’an entfernten Gebieten die Mönche und ihre Kultstätten verschont blieben. Die Ausdehnung Chinas zur Tang-Zeit war so groß wie die Europas im Mittelalter. Aus diesem Grund schafften es die buddhistischen Gemeinschaften, ihre Macht bewahren und später in einigen Gebieten sogar ausbauen.

Die Elite der gebildeten Mönche lebte nun aber über das ganze Reich zerstreut, und ihre Lehrtraditionen waren nach der großen Proskription von 845 unterbrochen worden. Vom Ende des 8. Jahrhunderts an war der chinesische Buddhismus von den großen religiösen Zentren Asiens abgeschnitten, die während mehr als einem halben Jahrtausend seine Inspirationsquellen gewesen waren. Die heiligen Stätten blieben ihnen versperrt, und im Randgebiet Indiens und des Iran war der Buddhismus selbst von der Expansion des Islam bedroht. Immer seltener wurden indische Texte ins Chinesische übersetzt; die großen Übersetzer, Kommentatoren und Exegeten gab es nicht mehr. Die große religiöse Begeisterung von einst schien damit ihr Ende gefunden zu haben.

Von den vielen verschiedenen buddhistischen Schulen und Sekten (deshalb ist der Begriff Kirche problematisch) blieb nach der Tang-Zeit in China nur eine einzige Sekte wirklich aktiv, nämlich die Chan-Sekte (auch Meditationsbuddhismus genannt), die eigentlich mehr chinesisch als buddhistisch war und sich später in Japan zum Zen entwickelte.

Die Chan-Bewegung gewann seit dem 9. Jahrhundert an Bedeutung. Betont wurde vor allem die Notwendigkeit, durch Meditation, verbunden mit einer starken Antihaltung gegenüber Ritualen, innere Erleuchtung zu erlangen. Mit dem Daoismus verband sie die Betonung von Werten wie Schlichtheit und Gelassenheit. Ihr Einfluß auf die chinesische Kultur ist insbesondere in der Malerei erkennbar.

Eine philosophisch ausgerichtete Sekte war die Tiantai (= Himmelsterrasse), benannt nach einem Berg in der Nähe von Hangzhou (Provinz Zhejiang), auf dem sich das Kloster des Sektengründers befand. Diese Sekte legte großen Wert auf das scholastische Studium des umfangreichen buddhistischen Kanons und die Einhaltung der Rituale. Die Meditation wurde gepflegt mit dem Ziel, nach Ausschaltung aller störenden Einflüsse innerlich anzuhalten bzw. innerlich zur Ruhe zu kommen.

Als Hauptform des chinesischen Buddhismus gilt jedoch die weitverbreitete Qingtu (= Reines Land)-Sekte. Ihre Anhänger verehrten den Amitabha Buddha und Bodhitsattwas wie Guan Yin. Ihr Glaube sollte sie nicht ins Nirwana bringen, sondern in “Amitabhas Westparadies”, das man sich als einen wunderschönen Ort mit Juwelenbäumen, Palästen und Lotusteichen, mit himmlischen Musikern und Tänzern vorstellte.

8. Der Buddhismus in der Gegenwart

8.1 Die buddhistische Bewegung heute

Das 20. Jahrhundert hat traditionellen buddhistischen Kulturen viele Umwälzungen gebracht, und die Religion mußte sich an eine Vielfalt neuer sozialer, wirtschaftlicher und politischer Zwänge anpassen. Es ist unter Buddhisten üblich geworden, ein aktiveres Interesse an Alltagsproblemen zu zeigen und Organisationen zur Lösung dieser Probleme zu bilden. So gibt es z.B. eine grüne buddhistische Bewegung, die sich mit Ökologie und Wiederaufforstung beschäftigt, eine Tierrechtsgruppe, Bürgerrechtsbewegungen, Selbsthilfegruppen und die Gefängnis-Besuchsgruppe Angulimala, benannt nach einem Mörder, den Siddharta Buddha gebessert haben soll. Diese und viele andere Gruppen zeigen die Fähigkeit einer vor über 2500 Jahren gegründeten Religion, auf neue Gegebenheiten zu reagieren und ihre Hauptbotschaft von Ruhe, Weisheit und Erbarmen an Umstände anzupassen, die sich von denen der Anfangszeit sehr stark unterscheiden.

Die große Mehrheit der etwa 120 bis 500 Millionen Buddhisten lebt in Ost- und Südostasien, besonders in Sri Lanka, Myanmar, Thailand, Vietnam, Japan und nicht zuletzt China. Doch auch in Ländern wie Brasilien, Australien und Großbritannien konnte der Buddhismus Wurzeln schlagen. Die Angaben über die Zahl der Buddhisten schwankt sehr stark und sind sehr ungenau, weil die Angehörigkeit zum Buddhismus nicht gleichzeitig diejenige zu anderen Religionen ausschließt. Bei der letztgenannten Zahl sind alle Chinesen, die Konfuzianer oder Daoisten sind und zum Teil außerdem buddhistische Tempel besuchen eingeschlossen (Brockhaus-Enzyklopädie).

In Deutschland wurde 1955 die Deutsche Buddhistische Gesellschaft gegründet, die drei Jahre später in Deutsche Buddhistische Union umbenannt wurde. Dem Spiegel (Ausgabe 16/1998) zufolge fühlen sich zwischen 300.000 und einer halben Million Deutsche verbunden „und schauen zumindest gelegentlich bei Zen-Gruppen und Meditationskreisen rein. Hinzu kommen bis zu 120.000 in Deutschland lebende asiatische Buddhisten, die ihrem Glauben in eigenen Zentren wie der vietnamesischen Vien-Giac-Pagode in Hannover nachgehen.“ In den USA breitet sich der Buddhismus stetig aus, nicht zuletzt durch die Einwanderer aus Ostasien. Bekannte amerikanische Buddhisten sind Tina Turner und Richard Gere.

Der aber wohl charismatischste Fürsprecher des Buddhismus ist zweifelsohne der Dalai Lama (= Ozean der Weisheit), das Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, oft auch als Lamaismus bezeichnet. Der 14. Dalai Lama, Tenzin Gjatso (geboren 1935), floh 1959 aus Tibet, um der chinesischen Unterdrückung zu entkommen und gründete in Nordindien einen Stützpunkt, von wo aus er versucht, Tibets geistliches und kulturelles Erbe zu bewahren und das Elend seines Volkes bekannt zu machen. Seine Bemühungen um die Verständigung zwischen den Religionen (so richtet sich das für 1998 geplante Meditationscamp in der Lüneburger Heide ausdrücklich auch an Nichtbuddhisten) und seine friedensbetonte Kritik an der kommunistischen Regierung in China brachte ihm 1989 den Friedensnobelpreis ein.

8.2 Der Buddhismus im heutigen China

Nach der Gründung der kommunistischen Volksrepublik im Jahre 1949 wurden Hunderttausende von Mönchen und Nonnen zwangsweise ins Laiendasein rücküberführt - ein herber Schlag für den Buddhismus. Teilweise blieben Klöster nur dadurch bestehen, daß sie sich als z. B. vegetarische Lokale ausgaben.

Während der fünfziger Jahre dieses Jahrhunderts, zur Zeit der kommunistischen Bodenreformen, wurden den buddhistischen Klöstern der gesamte Landbesitz weggenommen. Mönche und Nonnen wurden als Arbeiter eingegliedert. „Zwar garantierte die Verfassung von 1954 die freie Religionsausübung. Von den Funktionären des Regimes wurden diese Bestimmung jedoch dahin ausgelegt, daß die Tempel besucht werden konnten, außerhalb der Tempel aber keine Religionsausübung gestattet war.“ (Wolter, Seite 110).

Die weitere Entwicklung schildert Eichhorn auf Seite 397 folgendermaßen: „Während jedoch vor der Kulturrevolution im Rahmen der gesetzmäßig garantierten Religionsfreiheit noch eine gewisse Duldsamkeit gegenüber dem Buddhismus herrschte, änderte sich dies drastisch, als im Jahre 1966 die roten Garden begannen, die buddhistischen Tempel und Heiligtümer zu zerstören...Bezeichnenderweise wurden die zerschlagenen Buddhabilder durch solche von Mao Zedong ersetzt.“

Die Politik der KP China setzte damals auf die Zerstörung des alten Glaubens. Von den 50.000 Tempeln im Jahre 1949 sind nach all den Zerstörungsaktionen der Vergangenheit nur wenige übriggeblieben. Die Partei bemüht sich heute, die verbliebenen Reste zu erhalten und zu restaurieren, zumindest dort, wo mit starkem touristischen Interesse zu rechnen ist. Über die staatliche Buddhistische Vereinigung werden neue Mönche ausgebildet.

Der buddhistische Einfluß im heutigen China ist als relativ gering einzuschätzen. Das buddhistische Erbe in China jedoch ist von reicher und vielfältiger Natur. Der Buddhismus verband zahlreiche chinesische Moralvorstellungen mit dem Erlösungsaspekt und wurde dadurch einzigartig, so wie beispielsweise der Buddhismus in Japan einzigartig japanisch wurde.

Was das kulturelle Erbe angeht, so leistete buddhistische Philosophie einen großen Beitrag zur Entwicklung des Neo-Konfuzianismus. „Der buddhistische Glaube fand seinen Ausdruck in den Schönen Künsten und in der Bildhauerei... Der Buddhismus bestimmte auch die architektonische Landschaft mit: Die berühmten chinesischen Pagoden haben sich aus den indischen Stupen entwickelt, in denen Reliquien aufbewahrt wurden. Der Buddhismus hat auch einer Reihe literarischer Gattungen, darunter der Lyrik und der volkstümlichen Literatur, seinen Stempel aufgedrückt.“ (Ching, Seiten 151/2).

Die chinesische Sprache selber wurde im Zusammenhang mit den Übersetzungen buddhistischer Texte vom Sanskrit ins Chinesische um 6000 bis 7000 neue Fachausdrücken bereichert. Damit einher ging eine Veränderung der Übersetzungspraxis: „Die Übersetzungstätigkeit während der Sui-Zeit und der Tang-Zeit führte allmählich auch zu einer Veränderung der Übersetzungspraxis der Mönche im Ausland und zur Herausbildung eines Übersetzungssystems. Die Übersetzungen waren denen früherer Dynastien quantitativ und qualitativ überlegen. Berühmte Übersetzer wie Xian Jiang und Yi Jing betraten die Bildfläche... Man begann, sich der konfuzianischen Methoden zu bedienen, verfaßte eine Flut von Arbeiten zur Auslegung von buddhistischen Texten, und man erstellte Nachschlagewerke. Damit begann ein neues Zeitalter der Übersetzung und des Studiums der buddhistischen Werke.“ (Zhongguo Shigao, Seiten 394/5). Mit der Einführung des Buddhismus aus Indien, der anderen asiatischen Hochkultur, bekamen die Chinesen auch Zugang zu indischen Ideen und Erkenntnissen auf den Gebieten der Philosophie, Literatur, Mathematik, Astronomie, Kunst und Architektur. Ohne die Begegnung mit dem Buddhismus hätte die Entwicklung der chinesischen Kultur mit Sicherheit einen anderen Verlauf genommen: „Dank der heftigen Widersprüche in der Gesellschaft und der Förderung durch die herrschenden Klasse bestimmte der Buddhismus das gesellschaftliche Leben in jeder Hinsicht mit; er erhielt den Feudalismus aufrecht, legte den Widerstandsgeist des Volkes lahm und beeinflußte in hohem Maße das Denken und die Kultur der späteren Generationen.“ (Zhongguo Shigao, Seiten 383/4).

Übrigens: Man es kaum glauben, aber sogar die für Außenstehende unweigerlich unangenehm auffallende Angewohnheit vieler Chinesen, immer und überall zu spucken, geht ebenfalls auf den Buddhismus zurück. Spucken gilt in China nicht als Unsitte, sondern ist ein Relikt eines religiösen Reinigungsrituals. „Der Schleim im Hals gilt nach buddhistischer Tradition wie auch jedes andere Sekret als Anhäufung des Bösen, Schlechten und Ungesunden. Heute weiß man jedoch, daß diese Sitte selbst wiederum zur Quelle von Krankheiten werden kann, und versucht mit einigem Erfolg durch Androhen von Geldstrafe die Spuckerei vielerorts zu verbieten. Spucknäpfe dürfen aber benutzt werden und die stehen fast überall und sind stets übervoll.“ (Trempel, Seite 30).
 


I take refuge in Buddha forever

I take refuge in Dharma forever

I take refuge in Sangha forever
 
 

To do no evil.

To cultivate all good.

To purify the mind.

This is the teaching of the Buddha.
 
 

(= Die Quintessenz der buddhistischen Moral:

„Alles Böse meiden, das Gute tun und das eigene Herz reinigen: Das ist die Lehre des Buddha“)


 





Verwendete Literatur:

1. Ching, Julia: Chinese Religions. Hampshire/London 1993

2. Clarke, Peter B. (Hg.): Atlas der Weltreligionen. München 1995

3. DiSanto, Ronald L./Steele, Thomas J.: Guidebook to Zen and the Art of Motorcycle Maintenance. New York 1990

4. Eichhorn, Werner: Die Religionen Chinas. Stuttgart 1973

5. Ehrhard, Franz-Karl und Fischer-Schreiber, Ingrid: Das Lexikon des Buddhismus. Bern 1992

6. Gernet, Jacques: Die chinesische Welt. Die Geschichte Chinas von den Anfängen bis zur Jetztzeit. Frankfurt/M. 1995

7. Rodzinski, Witold: A History of China. Oxford/New York 1979

8. Schmidt-Glintzer, Helwig: Das alte China. Von den Anfängen bis zum 19. Jahrhundert. München 1995

9. Trempel, Eberhard (Hg.): China individuell. Berlin 1991

10. von Glasenapp, Helmuth: Die Fünf Großen Religionen (Teil I). Düsseldorf/Köln 1952

11. Wolter, Gustav Adolf: Geschichte Chinas. 4000 Jahre Reich der Mitte. Esslingen/München 1987

12. Zhongguo Shigao (Volume 4). Beijing 1982
 




 
 

Letzte Bearbeitung/last updated/dernière mis en jour/última actualización: 2000/07/19